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24.02.2009, 18:52

Die Pflicht zur Verantwortung!

Ziel:

Ich darf/soll/muss von der Schule aus verschiedene Meinungen zu diesem Thema einholen und darüber einen wirklich umfangreichen Text anfertigen. Da ich mich allerdings noch ziemlich am Anfang befinde und es mir fast unmöglich erscheint eine andere Sicht dieses Themas aufzuarbeiten als meine eigene, dachte ich mir, ihr könntet mir vielleicht dabei helfen. =)


Ich bin schon einige Zeit lang - passiv - in diesem Philosophie und Gedankenforum unterwegs und bin immer wieder von den Gedankengängen und (meist) anregenden Diskussionen einiger Poster fasziniert - auch wenn ich nicht immer gleicher Meinung bin. xD


Frage/n: (von mir^^)

- Wie interpretierst du diese Texte? Sind sie nachvollziehbar? Gibt es Unterschiede oder Gemeinsamkeiten? Welche Ratschläge und Aufforderungen entnimmst du den Texten?
- Deine Meinung: Soll der Mensch Verantwortung übernehmen für das, "was auf der Welt passiert"? Muss er es sogar? Kann man als Einzelner überhaupt etwas bewirken? Oder geht uns "das Elend da draußen in der Welt" gar nichts an?


Texte:

„Hoffnungsgeschichten“ – Ingeborg Drewitz:

Wer die Slums, die Kinderprostitution, die Hungerkadaver, die Leichenberge Erschossener und Erschlagener sieht, wer die Arbeitslosenzahlen, Gewalt und Korruption zur Kenntnis nimmt, der bereitet sich statt auf Hoffnung auf Flucht vor: Flucht in die Private Scheinidylle. Flucht in den Konsum, Flucht in die "Hinter-mir-die-Sintflut"-Haltung.
Und doch müssen wir nach der Hoffnung fragen, weil es die Hoffnung geben muss. Weil Hoffnung uns verpflichtet nicht aufzugeben. Weil sie uns Antreibt Wege zu suchen. Weil Hoffnung auch mit Verantwortung übersetzt werden kann: Verantwortung für die Missstände zu übernehmen und gegen sie anzukämpfen.



„Kleine Neujahrsansprache vor jungen Leuten“ - Erich Kästner:

Jeder ist mitverantwortlich für das, was auf der Welt geschieht, und für das, was unterbleibt. Aber wie kann man das lernen? Steht man nicht mit seinem Bündel Verantwortung wie in einem Wald bei Nacht ohne Licht und Weg? [...]
Hört auf euer Gewissen! Jeder Mensch hat eines.
Sucht euch Vorbilder! Es sind die Menschen, die im gegebenen Augenblick ohne Wimpernzucken das gesagt oder getan hätten, wovor wir zögern.
Bewahrt euch den Humor! Er macht die Erde zu einem kleinen Stern, die Weltgeschichte zu einem Atemzug und uns selbst bescheiden.



Konstantin Wecker:

Und will man heut und hierzuland
halbwegs als Mensch gedeihn,
empfiehlt sich, zur rechten Zeit
genüsslich, dumm und faul zu sein.

Dann pfeif ich auf die Rederei
um Feind und Schuld und Sinn,
geb meinem Bauch zum Denken frei
und freu mich einfach, dass ich bin.

Ich weíß, nur mit dem Bauch
wird Macht und Bosheit nicht vertrieben,
doch vorher, Freunde, sollten wir
erst lernen, uns zu lieben.



Meine Meinung: (bereits in Aufsatzform)

Jeder Mensch ist für seine Taten verantwortlich. Dieser Grundgedanke wird gesetzlich unterstützt und findet weltweit Anerkennung und Zustimmung.

Eine grobe Meinungsspaltung findet allerdings bei der Frage statt, wie weit diese Verantwortung reichen soll. Soll sie sich auf den Einzelnen beschränken oder sind wir auch mitverantwortlich für die Taten anderer? Sind wir verantwortlich, für das Leid, das tagtäglich weltweit zugefügt wird? Sind wir verantwortlich für die Taten anderer? Sind wir verantwortlich für das, was gegenwärtig in der Welt geschieht oder sogar für alles Zukünftige?

Schon vor vielen Jahren haben sich Autoren in verschiedenen Werken intensiv mit dem Thema Verantwortung und gegenseitiger Schuldzuweisung auseinandergesetzt.

„Hoffnungsgeschichten“ – Ingeborg Drewitz:

Drewitz schreibt darin über die Ungerechtigkeit der Welt. Sie vertritt die Meinung, dass jene, die Gewalt und Unrecht „übersehen“, die Bereitschaft zeigen, selbige zu akzeptieren.
„...wer Gewalt und Korruption zur Kenntnis nimmt, der bereitet sich statt Hoffnung auf Flucht vor.“ Mit „Flucht“ ist dabei der Rückzug in das Privatleben und das Augenverschließen vor allem Bösen gemeint. Sie fordert uns auf, eben das nicht zu tun. Wir sollen an die Hoffnung glauben - denn Hoffnung zeigt Lösungen und Wege auf.

„Kleine Neujahrsansprache vor jungen Leuten“ - Erich Kästner:

In diesem Werk wird die Frage, wie jeder mit seinem „Bündel Verantwortung“ umzugehen hat, folgender Maßen beantwortet: Der Mensch soll auf sein Gewissen hören und so die Welt zu etwas Besserem machen. Er soll sich Vorbilder suchen, und zwar solche, die im entscheidenden Moment die Stimme erheben. Erich Kästner betont außerdem noch die Wichtigkeit des Humors: Er vereint die Menschen, hilft einem über Vergangenes hinweg und vereinfacht das Leben.

Konstantin Wecker:

In einem zynischen Text schreibt er, dass es der Mensch einfacher hat, sich in wichtigen Fragen dumm zu stellen. In der Masse unauffällig zu verschwinden und einfach das Leben, so wie es ist, zu genießen; das ist nichts Besonderes. „Macht und Bosheit“ wird dadurch allerdings kein Ende gesetzt. Bevor wir Menschen beginnen, nur mit dem Bauch zu denken und den anderen dabei vergessen, „...sollen wir lernen, uns zu lieben.“

Der Wirkungsbereich bezüglich Verantwortung spaltet sich in den Meinungen dieser drei Autoren nur sehr geringfügig. Sie sind alle der Ansicht, dass es wichtig ist, sich nicht den Mund verbieten zu lassen und sich nicht der Allgemeinheit anzupassen.
In „Hoffnungsgeschichten“ stehen die Gewalt, die Flucht davor und die Hoffnung im Mittelpunkt. Erich Kästner schenkt dem Gewissen, den Vorbildern und dem Humor besondere Beachtung und Konstantin Wecker spielt in seinem Werk mit zynischen und sarkastischen Elementen auf die Masse des Menschen und der immer kleiner werdenden Individualität des Einzelnen an. Obwohl sich diese Texte vom Prinzip und Aufbau her unterscheiden, kommt es doch zu einer einheitlichen Grundaussage – nämlich der, dass man alles, was für einen möglich ist tun soll, um die Welt zu verbessern und seinen Mitmenschen zu helfen.

Natürlich ist primär jeder für seine eigenen Taten zur Verantwortung zu ziehen. Es wäre ein Leichtes, sowohl Vergangenes als auch Gegenwärtiges auf die Dummheit und Begrenztheit des einzelnen Menschen abzutun und so zu entschuldigen. Wenn man weltweit vorhandene Probleme betrachtet, kommt man zur Ansicht, dass alle dazu beitragen. Um solche wirklich umfangreiche Probleme zu lösen, kommt man mit gegenseitiger Schuldzuweisung und mutmaßlicher Aufhetzung gegen den anderen, wie es heutzutage, in annähernd allen Lebensbereichen, stattfindet, nicht weit. Ein Umdenken der Gesellschaft wäre ein erster, entscheidender Schritt zur Besserung. Anstatt sich gegenseitig zu bekämpfen und sinnlose Kriege zu führen, wäre es wichtig, dass die Menschheit endlich ein Gefühl der Zusammengehörigkeit entwickelt und dieses auch akzeptiert. Jeder ist dafür verantwortlich, wenn irgendwo auf der Welt ein Kind an Hunger stirbt. Natürlich ist es für den einzelnen schwieriger, etwas zu bewirken, als für organisierte Gruppen – doch jeder fängt einmal klein an.







Das oben Geschriebene ist meine Meinung zum Thema. Ich hoffe, dass dieser Thread nicht als Hilfe zu meiner Aufgabe angesehen wird, sondern als Diskussionsplattform der oben gestellten Fragen. Erweiterungen der Fragestellung sind natürlich auch möglich. Euch sind absolut keine Grenzen in puncto Fragestellung gesetzt - die oben angeführten Fragen sollen lediglich als Anregung dienen.

Hoffe auf eine gute Diskussion und eine hohe Meinungsvielfalt!

greetz =)

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24.02.2009, 22:12

Meiner Meinung nach geht die Verantwortung soweit, dass man auch immer zurückdenken kann und dabei nicht das Gefühl hat "oh scheise hätte ich doch nur....". Wenn ich jetzt also sehe das jemand in irgendeiner Weise belästigt wird muss ich einfach eingreifen. Ich will aber nicht jedem forschreiben das er in der gleichen Situation genauso handeln hätte müssen.
An dem "Elend da drausen" fühle ich mich relativ unbeteiligt, man kanns nicht ändern weil es gibt einfach viel zu wenige Menschen die bereit wären wirklich ernsthaft dafür zu kämpfen das es besser wird. Natürlich werden jetzt erstmal alle sagen "ich wäre sofort dabei"...aber wenn ihr dabei wärt warum tut ihr es nicht jetzt? Warum handeln nicht alle die von sich behaupten sofort handeln zu würden jetzt nicht? Genau aus dieser Überlegung herraus würde ich mich nicht zu denen zählen die wirklich was tun. Allerdings schmeckt mir mein kaffee auch besser wenn fair trade draufsteht ;)

Ghost_X

§ 964 BGB: Vermischung von Bienenschwärmen

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24.02.2009, 23:15

Das Prinzip Verantwortung von Hans Jonas dürfte dich auch interessieren.
Für das andere bin ich zu müde, editier ich morgen rein... xD
In uns selbst liegen die Sterne des Glücks.
Heinrich Heine
Ava & Sig - ali2k4

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24.02.2009, 23:58

Text von matzedergott

Meiner Meinung nach geht die Verantwortung soweit, dass man auch immer zurückdenken kann und dabei nicht das Gefühl hat "oh scheise hätte ich doch nur....". Wenn ich jetzt also sehe das jemand in irgendeiner Weise belästigt wird muss ich einfach eingreifen. Ich will aber nicht jedem forschreiben das er in der gleichen Situation genauso handeln hätte müssen.
An dem "Elend da drausen" fühle ich mich relativ unbeteiligt, man kanns nicht ändern weil es gibt einfach viel zu wenige Menschen die bereit wären wirklich ernsthaft dafür zu kämpfen das es besser wird. Natürlich werden jetzt erstmal alle sagen "ich wäre sofort dabei"...aber wenn ihr dabei wärt warum tut ihr es nicht jetzt? Warum handeln nicht alle die von sich behaupten sofort handeln zu würden jetzt nicht? Genau aus dieser Überlegung herraus würde ich mich nicht zu denen zählen die wirklich was tun. Allerdings schmeckt mir mein kaffee auch besser wenn fair trade draufsteht ;)

So sieht´s auch bei mir aus. Der eine sieht seine Verantwortung altruistischer als der andere. Für sich sollte man später nich sagen müssen, "ich hätte anders handeln sollen". Aber dabei trotzdem ehrlich zu sich selbst sein. Man muss mit seinem Gewissen im Reinen sein, alles andere ist Selbstbetrug und hat wenig mit Verantwortung zu tun. Dabei sind mMn durchaus noch alte Sprichwörter wie, "was du nicht willst, das man dir tu, das füge keinem andern zu" anwendbar.
Man kann Leuten zeigen, was man unter seiner Verantwortung versteht, warum man das so sieht und warum man denkt, dass es besser ist. Aber man sollte sich grundsätzlich davor hüten, solche Vorstellungen anderen aufzuzwängen oder so ein Verhalten vorzuschreiben. Denn das führt nur zu Streit und im Endeffekt Schuldzuweisungen, was destruktiv statt konstruktiv wirkt.

Andererseits gibt es Situationen, in denen die Verantwortung zur Pflicht wird. Pflicht in der Form, dass der Staat per Gesetz vorschreibt, dass man eine Verantwortung trägt. Diese Verantwortung führt zu einer geregelten öffentlichen Ordnung und zu einer gewissen Gesellschaftlichen Wahrnehmung. Und das wiederum halte ich ebenfalls für völlig richtig.
Mit öffentlicher Ordnung kommt das Bsp. Verkehrsunfall. Als Unfallteilnehmer hat man - ob Verursacher oder nicht - die Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass der Unfall ordnungsgemäß dokumentiert wird. Das hat noch nix mit Schuld zu tun.
Die Gesellschaftliche Wahrnehmung zielt nach meine Empfinden besonders auf die Hilfeleistung ab. Verletzten muss man helfen, sofern es in seiner Macht steht und keine Gefährdung von Leib und Leben bedeutet. Wenn einer verprügelt wird, muss ich ebenfalls dem Verprügelten helfen und ihn aus der Situation befreien. Wenn ich sehe, dass Dinge grundlos und zum Schaden anderer beschädigt werden, muss ich ebenfalls einschreiten. Tut man diese Sachen nich und kommt das raus, wird Anzeige erstattet wegen des Tatbestandes der unterlassenen Hilfeleistung.
Ich denke, sowas zielt auch darauf ab uns zu erziehen und wir helfen - oder unsere so anerzogene Moral (die im Optimalfall eh der Vernunft entspringt (was an sich schon wieder ´ne Wertung is)) sagt uns, dass es falsch wäre, nicht zu helfen.
Wir müssen [...] der Versuchung widerstehen, ein Geflecht von Gesetzen herzustellen, hinter dem eines Tages die Freiheit unsichtbar wird. - Helmut Schmidt[/size]

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25.02.2009, 16:17

@ matzedergott:
Du schreibst, dass du, wenn du Gewalt und Unrecht in deiner Umgebung siehst, versuchst, dieses auszubessern bzw. dem Geschädigten zu helfen. Erscheint mir sehr einleuchtend. Woran ich aber keinen Gefallen finden mag, ist, dass du anscheinend der Meinung bist, dass die Verantwortung mit zunehmender Entfernung zum Standort des Geschehnisses abnimmt.
Jeder Mensch ist gleich und soll auch gleich behandelt werden. So - oder zumindest in ähnlicher Form - steht es als Menschenrecht niedergeschrieben. Wird dieses Menschenrecht dann von dir nicht missachtet? Du hilfst, wo du siehst, dass Hilfe benötigt wird. Der richtige Ansatz ist meiner Meinung nach aber: Man hilft, wo Hilfe benötigt wird.
Der visuelle Aspekt, der dem Leid und Unheil Gestalt verleiht wird in unserer Gesellschaft überbewertet. In Afrika sterben täglich Kinder! - niemand berichtet davon! - niemand hilft! - Niemand weiß davon??? Warum fühlst du dich also verantwortlich für Geschehnisse in deiner Umgebung, aber nicht für solche, die weiter weg ihre Opfer finden/"für das Elend da draußen"?
Ich will die jetzt keinesfalls zu nahe treten - die meisten Menschen (die genug Mittel zur Verfügung haben und somit einem hohen Lebensstandard) denken wie du. Nur wenige helfen über diese Schwelle der Visualität hinaus - und das ist (für mich) der Grund, warum armen Menschen nicht geholfen wird. Nicht, weil man nicht könnte - sonder, weil man meint dass es so üblich ist. Weil die Mehrheit der Menschen so denkt wie du...(was jetzt aber nicht abwertend wirken soll - es gibt auch Menschen, die denken gar nicht bzw. nur an sich selbst!)

@ Ghost_X:
Danke für den Tipp - werd ich mir mal näher ansehen =)

@ Masaku:
"Mit dem Gewissen im Reinen sein - dann passt´s!"
Nunja - auch mein Gewissen ist rein, wenn ich Bilder von hungernden und sterbenden Kindern in Afrika oder sonst wo sehe - ich bin ja nicht derjenige, der das Leid zufügt. Doch ich kann einer der vielen sein, die diesem Leid entgegentreten und versuchen zu helfen. Der Mensch sollte lernen nicht ausschließlich mit dem Kopf zu denken - auch das Herz ist wichtig!
"was du nicht willst, das man dir tu, das füge keinem andern zu"
Menschen sollen sich diesem Vorsatz anschließen - das ist gut. Aber was sagst du zu Naturkatastrophen? Zu unfruchtbarem Land? Zu Mittellosigkeit? "Böser Tornado! Geh weg!"?? Nicht alles Leid auf der Welt wird vom Menschen an selbigen zugefügt - dieses "Sprichtwort" deckt allerdings nur diesen einen Bereich ab.
Bei den restlichen Bereichen, die du ansprichst stimme ich dir zu. Vor allem den gesetzlichen Teil - wo Verantwortung zum Gesetz wird - finde ich wichtig. Es ist schade, immer wieder zu hören, dass sich viele diesem Gesetz bzw. dieser Verantwortung nicht stellen.
Aber eins noch: Es sollte auf keinen Fall angestrebt werden, Moral mit Vernunft gleichsetzen zu können. Auch andere Werte sollten in den Begriff "Moral" miteinbezogen werden, wie Intuition, (Mit)Gefühl und Glaube (in irgendeiner Form - jeder Mensch glaubt!)

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25.02.2009, 17:01

RE: Die Pflicht zur Verantwortung!

Hi :winke:


Ich darf/soll/muss von der Schule aus verschiedene Meinungen zu diesem Thema einholen und darüber einen wirklich umfangreichen Text anfertigen. Da ich mich allerdings noch ziemlich am Anfang befinde und es mir fast unmöglich erscheint eine andere Sicht dieses Themas aufzuarbeiten als meine eigene, dachte ich mir, ihr könntet mir vielleicht dabei helfen. =)


Darf ich fragen, was genau das für eine Aufgabe ist (Aufsatz, Referat, Facharbeit, etc.) und aus welchem Fach sie stammt?


- Wie interpretierst du diese Texte? Sind sie nachvollziehbar? Gibt es Unterschiede oder Gemeinsamkeiten? Welche Ratschläge und Aufforderungen entnimmst du den Texten?


Spoiler Spoiler


„Hoffnungsgeschichten“ – Ingeborg Drewitz:

Wer die Slums, die Kinderprostitution, die Hungerkadaver, die Leichenberge Erschossener und Erschlagener sieht, wer die Arbeitslosenzahlen, Gewalt und Korruption zur Kenntnis nimmt, der bereitet sich statt auf Hoffnung auf Flucht vor: Flucht in die Private Scheinidylle. Flucht in den Konsum, Flucht in die "Hinter-mir-die-Sintflut"-Haltung.
Und doch müssen wir nach der Hoffnung fragen, weil es die Hoffnung geben muss. Weil Hoffnung uns verpflichtet nicht aufzugeben. Weil sie uns antreibt Wege zu suchen. Weil Hoffnung auch mit Verantwortung übersetzt werden kann: Verantwortung für die Missstände zu übernehmen und gegen sie anzukämpfen.


Dieser Text richtet sich vor allem an Bürger/innen von Industrienationen (Deutschland, Amerika, ...) und wirft ihnen vor, sich bei Konfrontation mit Problemen (zu schwaches Wort... aber mir fällt kein anderes ein) in anderen armen Ländern (Entwicklungsländer, Schwellenländer) und sogar in der eigenen Gesellschaft in die Verantwortungslosigkeit und Unbeteiligtheit zurückzuziehen. Nach diesem Vorwurf postuliert die Autorin die "Frage nach der Hoffnung/Verantwortung". Ich persönlich halte die Begründung dieser Frage für etwas schwammig, wen nicht sogar zyklisch. "Nicht aufgeben" heißt für mich Hoffnung haben. "Wege suchen" heißt für mich Hoffnung haben. Daraus folgt (etwas provokant) die Übersetzung folgender Textstellen:
"Weil Hoffnung uns verpflichtet nicht aufzugeben. Weil sie uns antreibt Wege zu suchen." -> "Weil Hoffnung uns verpflichtet Hoffnung zu haben. Weil Hoffnung uns antreibt Hoffnung zu haben"

Spoiler Spoiler


„Kleine Neujahrsansprache vor jungen Leuten“ - Erich Kästner:

Jeder ist mitverantwortlich für das, was auf der Welt geschieht, und für das, was unterbleibt. Aber wie kann man das lernen? Steht man nicht mit seinem Bündel Verantwortung wie in einem Wald bei Nacht ohne Licht und Weg? [...]
Hört auf euer Gewissen! Jeder Mensch hat eines.
Sucht euch Vorbilder! Es sind die Menschen, die im gegebenen Augenblick ohne Wimpernzucken das gesagt oder getan hätten, wovor wir zögern.
Bewahrt euch den Humor! Er macht die Erde zu einem kleinen Stern, die Weltgeschichte zu einem Atemzug und uns selbst bescheiden.


Kommt mit vor eine Aufforderung gerichtet an "junge Leute" (Überschrift) nicht zu zögern, wenn sie auf Missstände stoßen, sondern handeln. Leider kann ich mit diesem Satz nicht viel anfangen "Er macht die Erde zu einem kleinen Stern, die Weltgeschichte zu einem Atemzug und uns selbst bescheiden.". Erscheint mir widersprüchlich, da das Empfinden des Lebens als "Atemzug" oder "kleinem Stern" für mich eher mehr in die "Ach das ist nur ein kleiner Stern, is nicht schlimm was da passiert"-Haltung führt.
Über Denkanstöße/Aufklärung/etc. würde ich mich freuen.

Spoiler Spoiler


Konstantin Wecker:

Und will man heut und hierzuland
halbwegs als Mensch gedeihn,
empfiehlt sich, zur rechten Zeit
genüsslich, dumm und faul zu sein.

Dann pfeif ich auf die Rederei
um Feind und Schuld und Sinn,
geb meinem Bauch zum Denken frei
und freu mich einfach, dass ich bin.

Ich weíß, nur mit dem Bauch
wird Macht und Bosheit nicht vertrieben,
doch vorher, Freunde, sollten wir
erst lernen, uns zu lieben.


Hier (wie schon geasgt worden ist) ein zynisches Gedicht. Ich halte "mit dem Bauch denken" für etwas positives, von daher hat es eine Weile gedauert, bis ich begriffen habe was er meinte (ganz sicher bin ich mir immernoch nicht). Deswegen lasse ich hier erstmal weitere Kommentare unter den Tisch fallen. Hoffe jemand schafft hier mehr Durchblick.


- Deine Meinung: Soll der Mensch Verantwortung übernehmen für das, "was auf der Welt passiert"? Muss er es sogar? Kann man als Einzelner überhaupt etwas bewirken? Oder geht uns "das Elend da draußen in der Welt" gar nichts an?


Sicher muss der Mensch Verantwortung für sein (kollektives) Handeln übernehmen. Nicht nur in der Nachbarschaft sondern auch "auf der Welt". Dies ist nicht nur eine moralische Frage. Jeder Missstand (egal wo) fällt irgendwann auf unsere Gesellschaft und damit auf uns zurück. Wenn man also sich moralisch nicht zu verantwortlichem Handeln gezwungen sieht, sollte der Selbsterhaltungstrieb doch sein übriges tun. Die Frage, was jeder Einzelne bewirken kann, ist atm etwas deprimierend für mich, da ich immer mehr sehe, was der Einzelne kann (oder nicht kann). Als "Geschädigter" der "isländischen Kaupthing-Bank Problematik" bekomme ich quasi hautnah mit, was einzelne Bürger (geschätzte 30.000) erreichen können (und wie wenig Unterstützung man von Regierung und anderen Einrichtungen erwarten kann). Das Ergebnis is eher ernüchternd...

Abschließend "Vielen Dank" an Bullit für diese schöne Aufgabe. Währrend des Zivildienstes rostet man intellektuell doch etwas ein, da kommt so etwas gerade richtig ;)
mfg.

SerMoniz3R

x^n + y^n = z^n, n>2, no solution in positive integers
“I have discovered a truly remarkable proof which this signature is too small to contain.”

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25.02.2009, 17:58

Zitat

Darf ich fragen, was genau das für eine Aufgabe ist (Aufsatz, Referat, Facharbeit, etc.) und aus welchem Fach sie stammt?
Ist eigentlich keine wirkliche Aufgabe. In den Fächern Deutsch und Philosophie & Psychologie abe ich den gleichen Lehrer. Hab ihm erzählt, dass ich mich immer sehr für seine Aufgabenstellungen interessiere und auch, dass ich etwas in diese Richtung (nach meinem Abschlussjahr) weitermachen werde bzw. es zumindest versuche.^^ Also hab ich ihn gefragt, ob er vielleicht ein Thema wüsste, über das ich schreiben könnte - am nächsten Tag überreichte er mir dann diese 3 Texte und einige - recht allgemein gehaltene - Fragen zum Thema "Verantwortung". Ich solle mir selbst eine genauere Spezialisierung innerhalb dieses Themas aussuchen und mich damit befassen - in irgendeiner Art. Abgeben werde ich die Arbeit also vielleicht gar nicht. Trotzdem finde ich die Texte und und gesamte Thematik interessant und ansprechend =)

Zitat

Kommt mit vor eine Aufforderung gerichtet an "junge Leute" (Überschrift) nicht zu zögern, wenn sie auf Missstände stoßen, sondern handeln. Leider kann ich mit diesem Satz nicht viel anfangen "Er macht die Erde zu einem kleinen Stern, die Weltgeschichte zu einem Atemzug und uns selbst bescheiden.". Erscheint mir widersprüchlich, da das Empfinden des Lebens als "Atemzug" oder "kleinem Stern" für mich eher mehr in die "Ach das ist nur ein kleiner Stern, is nicht schlimm was da passiert"-Haltung führt.
Über Denkanstöße/Aufklärung/etc. würde ich mich freuen.
Tja - daraus werde ich auch nicht wirklich schlau. Wie man meinem Text entnehmen kann, hab ich diesem Satz die selbe Bedeutung wie du entnommen. Humor erleichtert uns einfach das Leben. Humor macht das Leben lebenswert. Ohne ihn würden wir Kleinigkeiten zu ernst nehmen. Er lässt und über Unwichtiges hinwegsehen. Dann stelle ich mir allerdings die Frage, ob er die Erde und die Weltgeschichte als unwichtig ansieht, was mich wieder ins Grübeln bringt.
Er ist ja ein bekannter Autor von, mit humorvollen Elementen gespickten, Kinderbüchern. Vielleicht wollte er also einfach seine literarische Sparte in den Vordergrund rücken. (was ich allerdings auch nicht glaube xD)

Zitat

Hier (wie schon geasgt worden ist) ein zynisches Gedicht. Ich halte "mit dem Bauch denken" für etwas positives, von daher hat es eine Weile gedauert, bis ich begriffen habe was er meinte (ganz sicher bin ich mir immernoch nicht). Deswegen lasse ich hier erstmal weitere Kommentare unter den Tisch fallen. Hoffe jemand schafft hier mehr Durchblick.
"Mit dem Bauch denken" für mich gleichzusetzen mit "sich selbst favoursisieren". Wer nur an sich selbst denkt muss also lernen, dass es auch Mitmenschen gibt. Ein Zusammenspiel des Kopfs, des Bauchs und des Herzens halte ich für den optimalen Gedankengang.
Da wir aber anscheinend "mit dem Bauch denken" anders auffassen ist es nur logisch, wenn du hier andere ansichten vertrittst als ich^^ Wäre aber trotzdem gespannt auf deine Interpretation dieses Textes. ;)

PS: Ich glaub ich mach da irgendwas mit dem Zitieren falsch xD

8

25.02.2009, 21:45


„Hoffnungsgeschichten“ – Ingeborg Drewitz:
Oberflächliches Gerede, ohne Gehalt, mit dem Ziel, dass du dich schlecht fühlst!

Erst wird versucht, durch möglichst fiese Phrasen, dem Leser ein schlechtes Gewissen ein zu reden. Das ist wie das legen einer Magensonde und danach werden ordentlich Gemeinplätze in den Leser gepumpt, "Hoffnung" usw. Schlimm ist vor allem die Kombination aus "Es muss Hoffnung geben", "[sie] verpflichtet nicht auf zu geben", "Weil Hoffnung auch mit Verantwortung übersetzt werden kann: Verantwortung für die Missstände zu übernehmen ".

Soll wohl heißen, wenn du nicht hoffst bist du krank und nicht normal und wenn du hoffst, darfst du dich nicht mehr ausruhen. Davon abgesehen hast du die Hoffnung, die für dich selbst, nur verdient, wenn du irgendwelchen Menschen hilfst. - Das ist ein falscher Ansatzpunkt, die Welt verbessern beginnt bei mir.

Auch kann man Hoffnung nicht mit Verantwortung übersetzen. Verantwortung bekommt man, oder nimmt man an. Hoffnung ist immer und ist sie noch so klein, in uns. Hoffnung verpflichtet uns zu rein gar nichts, es ist einfach nur Hoffnung. Es bleibt die Entscheidung des Einzelnen, ob es ihm hilft, sie zu verfolgen. Niemand ist der Hoffnung verpflichtet , es wäre auch wirklich schlimm, wenn es so wäre, weil das was man sich erhofft, nicht immer das ist, was gut für einen ist.


„Kleine Neujahrsansprache vor jungen Leuten“ - Erich Kästner:
Auch fast nur leeres Gerede, Jeder ist in erster Linie nur für sich und sein Eigeninteresse verantwortlich. (Das ist nicht zwangsläufig das was uns vorteilhaft für uns erscheint und was man will.) Würde jeder so Handeln, wäre die Welt besser. Verantwortung habe ich für mich und für die, für die ich sie auf mich nehmen kann und will und nicht für die ganze Welt. Das ist ein weiter Versucht ein schlechtes Gewissen zu erzeugen, anhand von Dingen, auf die der Leser keinen Einfluss hat, um ihn zu beeinflussen. - Die Sache mit dem Humor ist schon richtig, den sollte man sich erhalten.


Konstantin Wecker:
Da steckt mehr drinnen. Es geht darum, dass, wenn wir die Welt verändern wollen, wir erst lernen müssen uns selbst zu lieben. Die dort beschrieben Vorgänge sind uns nämlich nicht zuträglich und zeugen davon, dass wir uns selbst nicht lieben, weil wir unserem Eigeninteresse nicht folgen und wer sich nicht selbst lieben kann, kann auch andere nicht lieben und ihnen damit schlecht helfen.



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26.02.2009, 09:10

Zitat

@matzedergott:
Du schreibst, dass du, wenn du Gewalt und Unrecht in deiner Umgebung siehst, versuchst, dieses auszubessern bzw. dem Geschädigten zu helfen. Erscheint mir sehr einleuchtend. Woran ich aber keinen Gefallen finden mag, ist, dass du anscheinend der Meinung bist, dass die Verantwortung mit zunehmender Entfernung zum Standort des Geschehnisses abnimmt.
Jeder Mensch ist gleich und soll auch gleich behandelt werden. So - oder zumindest in ähnlicher Form - steht es als Menschenrecht niedergeschrieben. Wird dieses Menschenrecht dann von dir nicht missachtet? Du hilfst, wo du siehst, dass Hilfe benötigt wird. Der richtige Ansatz ist meiner Meinung nach aber: Man hilft, wo Hilfe benötigt wird.
Der visuelle Aspekt, der dem Leid und Unheil Gestalt verleiht wird in unserer Gesellschaft überbewertet. In Afrika sterben täglich Kinder! - niemand berichtet davon! - niemand hilft! - Niemand weiß davon??? Warum fühlst du dich also verantwortlich für Geschehnisse in deiner Umgebung, aber nicht für solche, die weiter weg ihre Opfer finden/"für das Elend da draußen"?
Ich will die jetzt keinesfalls zu nahe treten - die meisten Menschen (die genug Mittel zur Verfügung haben und somit einem hohen Lebensstandard) denken wie du. Nur wenige helfen über diese Schwelle der Visualität hinaus - und das ist (für mich) der Grund, warum armen Menschen nicht geholfen wird. Nicht, weil man nicht könnte - sonder, weil man meint dass es so üblich ist. Weil die Mehrheit der Menschen so denkt wie du...(was jetzt aber nicht abwertend wirken soll - es gibt auch Menschen, die denken gar nicht bzw. nur an sich selbst


Ein verhungerndes Kind in afrika schlägt mir nicht auf mein Gewissenl. Aber mal davon abgesehn (ich will jetzt keinen "wer ist pflichtbewuster kreig" losbrechen oder so) wie hilfst du den Kindern in Afrika? Das ist nämlich genau wie ich es geschrieben habe:

Zitat

An dem "Elend da drausen" fühle ich mich relativ unbeteiligt, man kanns nicht ändern weil es gibt einfach viel zu wenige Menschen die bereit wären wirklich ernsthaft dafür zu kämpfen das es besser wird. Natürlich werden jetzt erstmal alle sagen "ich wäre sofort dabei"...aber wenn ihr dabei wärt warum tut ihr es nicht jetzt? Warum handeln nicht alle die von sich behaupten sofort handeln zu würden jetzt nicht? Genau aus dieser Überlegung herraus würde ich mich nicht zu denen zählen die wirklich was tun. Allerdings schmeckt mir mein kaffee auch besser wenn fair trade draufsteht


Hier ist es wirklich so "aus den Augen aus dem Sinn". Finde da das beispiel mit dem Kaffee nicht schlecht... Da hat man immer was da, dass einem an das "elend da drausen" erinnert, desswegen greift man auch ehr zum fair trade Kaffee. Wenn jetzt aber ein Kind in Afrika stibrt bekomme ich a nichts davon mit und b würde ich keine Verbindung zu mir sehen und ich denke so geht es den meisten. Obwohl den meisten ist es wohl eh 100% egal weil es nicht in ihren beschränkten horizont passt, dann rennt man eben zum aldi und freut sich das der kaffee grad 25% billiger ist :S

Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »matzedergott« (26.02.2009, 09:20)