hmhm...interessantes Thema.
Also ich bin im Osten aufgewachsen, allerdings im Grenzgebiet. Mein Vater war Berufssoldat, Hauptmann bei den Grenztruppen (die nen bissl was anderes waren als die NVA). Meine Ma war Lehrerin für Mathe/Physik und Musik. Bis 1986, dann wurde sie Kulturtante bei der SED-Kreisleitung. Bin also in einem tiefrotem Elternhaus aufgewachsen. Trotzdem habe ich viele gute Erinnerungen an meine Kindheit.
- ich musste nie Sonntags in die Kirche und auch nicht zum Beichten
- dadurch dass wenige reinkamen ins Grenzgebiet wars doch sehr sicher
- wir als Grenzerfamilie hatten immer geile Ferienheime^^
- Schule war wichtig, ganz wichtig, die Lehrer waren "gezwungen" gute Leistungen von ihrer Klasse zu fordern
- Lebensmittel und alles andere was man zum Leben braucht, waren sehr sehr billig
etc.pp.
...aber auch schlechte Erinnerungen:
- ich hab mit meiner Ma &Sister oft des nachts wach gesessen, wenn mein Dad an die Grenze gerufen wurde..."Kommt er wieder? Ist er verletzt?"
- mein 1.Kindergarten war erzkatholisch und wir "roten" Kinder haben deswegen Prügel und Arrest bezogen. Ich war da ca. nen halbes Jahr und hab nich einmal den Spielplatz betreten...
- außerhalb des Grenzgebietes zu gelangen und wieder hinein war immer nen schwieriges Unterfangen
- 1x musste ich ins Pionierlager nördlich von Berlin, das war Horror. Eingesperrt, bei Regen, Wind und Wetter marschieren, dabei Kampflieder singen und keine Zeit für sich allein.
- immer war ich anders, zumindest für die Eltern meiner Freunde, das kann schon Sch*** sein fürn Kind...
Nun, ich kann sagen, bis auf einige Ecken und Kanten hab ich zu DDR-Zeiten gut gelebt.
Aber ich habe auch aus vielen Richtungen ganz ganz negative Sachen erzählt bekommen was gelaufen is, in EastGermany. Ich glaub den Menschen das auch, grade solche Bergarbeitergeschichten (wobei mir Tschernobyl einfällt, was wirklich auch hammerhart war /ist). Die Sowjetunion, heute Russland (unser damaliger Verbündeter) hatte mind. genausoviele KZ wie das 3. Reich...Oder oder oder....
Doch man darf niemals vergessen, dass solche Horrorgeschichten nicht nur im Ostblock passiert sind. Die BRD hat genauso harte Knäste wie Bautzen, in der BRD sind genausoviele Andersdenkende einfach verschwunden oder in den Knast gewandert. Die BW hat genauso auf unsere Soldaten geschossen, genauso grundlos und genauso sinnlos. Und genauso auf Anweisung von oben.
Sovieles wird heute in ganz Germany immer noch verheimlich, genauso wie damals in den Uranabbaugebieten der DDR. Das ist alles ein Gewerkel.
Was ich den "Ossis" hoch anrechne ist, dass die Wende auf ne relativ friedliche Art und Weise kam. Zumindest das was man im TV gesehen hat. Dass kein Bürgerkrieg zustande kam etc.
Heutzutage haben wir die Demokratie, es fahren Züge für werdende Papas und die dürfen auch nach Hause, wenns soweit ist, aber meine Ma, die ne Spitzenlehrerin war und bis heute ist (privat mit Nachhilfe, was anderes blieb ihr nicht übrig) darf nicht in einer Schule unterrichten, weil sie a.) bei der SED war (und viele andere Lehrer auch) und b.) angeblich den Stoff nicht kann.
Wenn ich nochmal ein Baby bekomme, darf ich mit KiGa - Kosten von umme 180€ rechnen, in der DDR gabs die zum Nulltarif und für jeden(!). Früher kannte ich die Welt nur ausm Atlas, heute darf ich ma eben nach Holland fahren. Alles für und wider, nach wie vor, nur in anderen Bereichen.
Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit vor und nach der Wende heben sich also auf.
Vorerst abschliessend möcht ich noch einwas loswerden:
Ossi-Wessi-Sprüche kann ich nicht ab. Ich kanns nicht mehr hören oder lesen. Es sind bald 2 Jahrzehnte vergangen seit der Wende und immer noch werden Menschen auf ihre Herkunft reduziert. Es gibt echt nicht viel, was ich hasse, so richtig ausm Herzen hasse. Aber solche blöden Sprüche schon.
Es gibt in jedem verdammten Bundesland, in jedem Land, auf jedem Kontinent A***löcher, aber des A***lochs Nachbar ist eventuell nen feiner Kerl. Die alten Bundesländer, die neuen Bundesländer...immer noch diese Scheiß-Differenzierung, nach der langen Zeit! Wozu dann die Wende?
Leider sind meine Eltern nach wie vor der Meinung, dass fast alle "Wessis" Nieten, Abzocker und Geizkragen sind. Ist auch regelmäßig Streitpunkt und bei solchen Diskussionen bin ich jedesmal kurz davor, aufzustehen und zu gehn. Denn ansonsten sind sie immer sehr tolerant gewesen.
Es ist mir echt egal, wo jemand lebt oder aufgewachsen ist, ob nun in Heidelberg direkt am Neckar oder im Ghetto von Leipzig, meinetwegen auch in ner Höhle im Wald. Er ist trotzdem nen MENSCH und hat es verdient, nicht nur akzeptiert sondern auch respektiert zu werden.
Achja, und Ulti: der menschliche Wille wird hier in Deutschland spätestens dann wieder gebrochen, wenn unsere Amerika-gerichtete Regierung bei uns die Wootcamps einführt....
Janie