Die Welt war voller Gefahren. Riesige weiße Tiger, Untote und goldgierige Zwerge störten immer mehr die Ruhe auf den Handelsstraßen. Dazu kam, dass Räuber und Banditen die Fähren belagerten und Wegegeld forderten. Ständig hörte man in den Städten von Raubmorden und Plünderungen liegengebliebener Karawanen. Das Böse war im Anmarsch...
Janie wurde unruhig. Wie lange konnte sie den Leuten, die sich ihr angeschlossen hatten, noch Schutz bieten? Konnte es passieren, dass sie davonliefen und sich anderen Gilden anschlossen? Sie verwarf den Gedanken. Janies Gilde hatte den Ruf, loyal und treu zu sein.
Und trotzdem, es musste etwas geschehen. Sie brauchten Verbündete, gute Verbündete, solche die den Werten der Fairness und der Gerechtigkeit folgten. Solche die das Lachen trotz des harten Handelslebens nicht verlernt hatten, und solche die kompromisslos eben jene Werte verteidigten...
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Die Schlangenfrau zeigte sich sehr verbissen. Sie zischelte und wand sich und wollte sich einfach nicht ergeben. Immer wieder schlug sie mit ihren großen scharfen Krallen nach Janie und versuchte sie mit ihrem tödlichem Atem zu vergiften. Janie spannte ein letztes Mal den Bogen und schoß. Der feurige Pfeil traf die Yeohwa mitten ins Herz.“ Dasssss wirssst du mir büüüßßßen...ssssieh dich vor....“ zischte sie und starb.
„Ja ja..ich weiß, es ist immer das Gleiche, ich töte dich und du erscheinst wieder...wie immer...“ erwiderte Janie und zauberte erschöpft den hellen Kreis des Schutzes. Seufzend ließ sie sich nieder und versank in tiefe Grübelei.
Plötzlich warf irgendwer oder irgendetwas einen Schatten auf sie. Sie griff zum Bogen und sah blinzelnd auf, konnte jedoch nichts erkennen, da die Sonne sie blendete. Einzig und allein den Schatten konnte sie deuten, es war keine Schlangenfrau, sondern ein Mensch. Was nicht weniger beunruhigend war. Schließlich war sie hier allein, ohne ihre Gilde, und somit der Gefahr ausgesetzt, dass jemand, dem sie im Wege war, sie töten lassen wollte.
Aber die Gefahr ging nicht von dem Schatten aus. Ein furchtbarer Schmerz durchfuhr sie wie ein Blitz und als sie den Kopf wandte, sah sie sich einer riesigen Yeowa gegenüber.
Aha...hat sie also ihre Mama geschickt, dachte Janie und sprang auf. Auch der Schatten ging in Angriffsposition. Innerhalb von Sekunden nahm Janie wahr, dass er in rot gekleidet war, ein freundliches, sehr weises Gesicht hatte und sie konnte auch den Schriftzug erkennen, der ihn als Brainstorm auswies. In den Händen hielt er einen funkelnden Speer, den er promt und mit einer unglaublichen Kraft Richtung Yeowas Mutter schleuderte. Und traf. Die riesige Schlangenfrau heulte auf und begann in wütender Raserei Unmengen todbringender Gifte um sich zu speien. Geschickt wichen Janie und Brainstorm aus, doch lange konnten sie so den Schutzring nicht halten. Sie sahen sich kurz an und es wurde schlagartig klar, dass sie beide auf der gleichen Seite standen. Als würden sie sich ewig kennen, nickten sie sich zu und begannen gleichzeitig sich zu verwandeln. Ein eisiger Schrei aus zwei Kehlen schlug der Schlangenmutter ins Gesicht. Sie sah sich plötzlich zwei Gegnern gegenüber, deren Augen, deren Körper aus reinem Feuer zu bestehen schienen. Brodelnd schien die Haut, wie Lava. Das Haar der beiden bestand aus züngelnden Flammen, doch schienen sie ihren Besitzern nichts anhaben zu können.
Die Schlangenmutter holte zum Schlag aus, doch ihr Arm wurde von einem Pfeil getroffen. Sie wurde rasend vor Schmerz, riß sich den Pfeil heraus und schleuderte ihn zu Boden.“ Du“ wandte sie sich zischend an Janie „hassst meine Tochter getötet, ich werde dich vernichten“...Doch Janie zog ihren nächsten Pfeil auf und entgegnete mit einem Seitenblick auf Brainstorm:“Sie hatte mehrere meiner Leute auf dem Gewissen...“ und schoß blitzschnell den nächsten Pfeil ab, der die Schlangenmutter in den Hals traf. Sie brannte nun lichterloh. Währenddessen hatte sich Brainstorm hinter die Yeohwa geschlichen und rief dieser zu: „ Deine Ausgeburten griffen auch meine Leute an! Sieh her!“ Und damit war das Urteil der Schlangenmutter geschrieben. Der Speer traf sie mitten ins Herz, Blitze durchzuckten und überfluteten ihren ganzen Körper, der zudem noch in Flammen stand. Ein gellender Schrei durchdrang das ganze Tal, in dem sie sich befanden: „Neeeein! Niemand kann unsssss bessssiegen! Ess ssind unsssere Schäätzze...“. Dann starb sie. Sie zerfiel zu einem Häuflein Asche und zurück blieb eine kleine Truhe.
Hastig öffneten Janie und Brainstorm das Kästchen und fanden eine Handvoll Heiltränke vor und ein sonderbares Schwert. „Wem sie das wohl gestohlen hat?“ murmelte Janie und zog den Schutzring erneut auf. „Wahrscheinlich einem einzelnen Händler, der sich hier her verirrt hat.“ erwiderte Brainstorm schmunzelnd und ließ sich nieder. Auch Janie setzte sich und begann, ihre Wunden zu reinigen. Die Spuren, die die Schlangenmutter hinterlassen hatte, waren übel. In Janies Schulter steckte der Rest einer giftigen Kralle und bereitete ihr große Sorgen. Vorsichtig betastete sie ihn und versuchte dabei, nicht vor Schmerz aufzuschreien. „Das sieht böse aus, du solltest ihn entfernen.“ sagte Brainstorm, der sie beobachtete. Janie sah ihm geradewegs ins Gesicht und wollte etwas störrisches erwidern, doch sie konnte nicht. Die Augen, in die sie sah, waren voller Menschlichkeit, nichts Grobes ließ sich darin entdecken, keinerlei Hinterlist oder Tücke war zu sehen. „Ich weiß...ich...ich bin schon viel zu lange fort vom Lager. Muss zurück...Hab kein Gegengift mehr...“ sagte sie leise und versuchte aufzustehen. Es blieb bei dem Versuch, denn sie sank mit einem schmerzerfüllten Stöhnen zusammen. Brainstorm sprang auf, kniete sich neben sie und wühlte in seiner Tasche. „Komm schon, sag mir wo euer Lager ist, ich bring dich zu deinen Leuten.“ Sanft blickte er in ihr Gesicht. Dann begann er, die Wunde zu behandeln. Er zog ein Tuch aus seiner Tasche, beträufelte es mit einer goldgrünen Flüssigkeit und legte es auf den Krallensplitter. Janie schrie auf, doch er drückte ihren Kopf sanft aber bestimmt zurück und begann, den sich auflösenden Splitter Stück für Stück herauszuziehen. „Halt durch, es ist gleich vorbei.“ sagte er, doch das hörte Janie schon nicht mehr. Sie war bewusstlos geworden....
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„Seht, Herr! Feinstes Material! Und diese Ornamente! Erstklassige Verarbeitung! Für einen Spottpreis!“ Egol, der Schmied sah sein Gegenüber erwartungsvoll an. Vor ihm stand ein hochgewachsener Mann mit schlohweißem Haar zu einem Zopf gebunden. Das weiche Haar glitt über eine weinrote Jacke und einen seltsam schimmernden Speer, an dessen Schaft sich ebenso rote verzierte Bänder befanden. In seinem Gesicht fand man als aller erstes einen weißen Bart, der lässig links und rechts der Lippen herunterhing. Wachsame türkis-blaue Augen wurden von geschwungenen Brauen umschlossen, die – wie sollte es auch anders sein – genauso weiß waren wie Haar und Bart.
„Ja, Egol, ich sehe es. Aber du hast meine Frage nicht beantwortet.“ Der Weißbärtige blickte Egol streng in die Augen. „Sag mir, hast du je von einer Frau Namens J-a-n-i-e gehört?“
Egol erwiderte den Blick kurze Zeit und senkte ihn dann auf seine Hände. „Nun...wenn ihr die J-a-n-i-e meint,“ und er sah wieder auf „die man vor ein paar Tagen hier in Donwhang am alten Tempel hinten fand, ja, dann hab ich von ihr gehört.“ Er grinste.
„Was weißt du von ihr?“
„Sie wurde von ihren Leuten geholt und ins Gildenlager gebracht, soweit ich weiß. Auf jeden Fall waren viele von den
Fossilen hier in der Stadt.“
„Aber nicht lange.“fügte er noch hinzu.
Fossile – das war der Name, den der Weißbärtige auf dieser Jacke gesehen hatte. Er war eingestickt, verziert mit kleinen Edelsteinen.
Unter normalen Umständen hätte er eine solche Jacke einfach an sich genommen, allein wegen dem Wert der Edelsteine. Er tat sowas nicht gern, aber seine Leute wollten von irgendwas ernährt werden.
Unter normalen Umständen. Diesmal konnte er nicht. Er
wollte nicht. Die meisten seiner Leute nahm das nicht gern zur Kenntnis. Und auch nicht die Tatsache, dass er nicht lange im Lager blieb, sondern drei Tage später aufbrach, um nach Donwhang zu reisen.
Nachdem er in Donwhang angekommen war, sein Kamel untergebracht und sein Zelt aufgeschlagen hatte, war er zu seinem alten Freund Egol am großen Marktplatz aufgebrochen. Er wusste, wenn jemand was über den Verbleib von Janie wusste, dann der alte Egol. Egol sprach ihn immer mit ‚Herr’ an, solange sich Fremde in der Nähe befanden, das war besser fürs Geschäft, doch sobald sie allein waren, machte sich die alte Freundschaft bemerkbar.
„Ich sehe, du bist allein hier, Brainstorm. Es ist gefährlich, allein zu reisen, erst recht mit Waren. Du weißt doch, was man sich erzählt.“
„Ja, ich weiß. Auf der Straße wimmelt es von Räubern und Banditen und abseits davon treiben seltsame Kreaturen ihr Unwesen.“ Brainstorm wurde ein wenig ungeduldig. Er traute dem alten Egol und wollte, dass dieser auch ihm traute.
„Ich hab sie hergebracht, Egol! Und ich muss wissen, wie es ihr geht.“
„Du?“ Egol machte ein überraschtes Gesicht und hakte nach: „Allein?“
„Ja, allein. Ich hatte keine Zeit mehr, die anderen zu holen.“ Brainstorms Gesicht nahm finstere Züge an. „ Sie wäre gestorben. Ins Ritterlager wars es mehr als das Doppelte des Weges. Ich musste sie irgendwo hinbringen.“ Und er dachte dabei an die Strapazen und die Angst die er ausgestanden hatte. Am schlimmsten war die Angst. Sie sterben zu sehen. In den Schluchten der Ravine wären sie beinahe den Feuermagiern in die Hände gefallen. Aber das war nur halb so schlimm, wie die Ängste die er ausgestanden hatte, jedesmal wenn Janie aufwachte und kurz darauf wieder in tiefen unruhigen Schlaf fiel. Sie redete wirr und hatte Fieber. Jedesmal wenn sie die Augen öffnete, waren ihre Pupillen geweitet, so dass es aussah, als hätte sie schwarze Augen. Und blankes Entsetzen war darin zu sehen. Erst als sie Brainstorms Blick fangen konnte, wich dieses Entsetzen und sie fiel wieder in den Schlaf. Soweit ihm möglich hatte er die Wunde versorgt, doch er kam nicht an alle Splitterteile der giftigen Kralle heran. So blieb ihm nichts anderes übrig, als regelmäßig zu rasten, um Janie zu versorgen. Mit Wasser und dem Rest der Heilkräuter, die ihm noch geblieben waren.
Er wusste, dass es in jeder Stadt der Umgebung Mitglieder aller möglichen Gilden und Gruppierungen gab. Jede Gilde hatte ein Haus oder ein Zelt oder Händler an allen bedeutenden Treffpunkten. Er hoffte, dass auch eine Gruppe namens Fossile dabei war.
Und es gab in Donwhang einen alten, scheinbar magischen Tempel. Legte man dort Verwundete ab, ging von ihm eine Art Signal aus. Dieses Signal war aber nur für
Verbundenedes Verletzten sichtbar, hörbar, fühlbar.
Verbundene waren all jene, die am alten Tempel einen gemeinsamen Eid geschworen hatten.
Die meisten beschrieben es als helles weißes gleißendes Licht zusammen mit einem kalten Gefühl. Zusätzlich hörten manche den Klang einer großen, alten, schweren Glocke. Sehr tief Verbundene, die sich lange Zeit und gut kannten erschien der Tempel samt des Verletzten. Sie wussten also sofort wie es um ihren Kameraden stand und konnten sich dementsprechend vorbereiten. Aber man sagte dem Tempel noch größere magische Kräfte nach.
Und an diesen alten Ort hatte Brainstorm, in der Hoffung sie würde gefunden, Janie gebracht. Er reiste in Begleitung einer großen Karawane zurück ins Lager der Tempelrittergilde und wurde dort mit Freuden empfangen. Alle hatten sich gesorgt, als er nach 3 Tagen noch nicht wieder zurück war. Manche spürten, dass er in Gefahr gewesen war, aber nie gab es eindeutige Zeichen.
In seiner ersten Nacht im Lager fiel er in einen tiefen erholsamen Schlaf und erwachte am nächsten Morgen angenehm ausgeruht. Doch schon bald fing es an.
Er
sah den Tempel Donwhangs. Und er
sah Janie. Zwar immer nur kurz, aber es war eindeutig zu erkennen. Er sah sie liegend im Tempel, sah wie sie gefunden wurde, wobei er ihre Leute nur schemenhaft erkennen konnte. Er sah, wie man sie fortbrachte und er sah auch ihren entsetzten Blick. Er
sah, obwohl er kein Wort mit ihr gewechselt hatte am alten Tempel.
Diese Bilder ließen ihm keine Ruhe. Viele seiner Freunde bemerkten was in ihm vorging und wussten dass er irgendetwas vernahm. Sie forderten eine Aussprache und trafen sich am Abend am Lagerfeuer. Brainstorm vertraute sich ihnen an, erzählte vom Kampf mit der Schlangenmutter, vom Weg nach Donwhang und von dem, was er nun sah. Alle nahmen solche Zeichen ernst und so wurde beratschlagt, was als nächstes zu tun sei. Die meisten meinten, es sei noch zu früh, den Weg nach Donwhang aufzunehmen. Schließlich war er gerade erst zurückgekehrt und er sollte sich erholen. Wer Brainstorm besser kannte, wusste allerdings, dass das nicht die Antwort war, die er hören wollte. Und von diesen Kennern wurde er unterstützt. Es war klar, dass er nach Donwhang musste. Wenn der Tempel solche Zeichen schickte, musste was dran sein an der Sache.
Damit stand fest, dass er reisen würde. Als er sein Pferd sattelte, trat seine alte Freundin Colibri an ihn heran, den Sohn auf dem Arm. „Ich hörte, sie sei Mutter, Brainstorm. Gib auf sie Acht, wenn du sie findest. Ich wünsch es dir.“
„Wer sagt das, Coli ?“ erwiderte er lachend.
„ Der alte Tempel.“ Colibri wischte ihrem Sohn über den kleinen Mund und lächelte dabei. Dann sah sie zu ihm auf und mit einem plötzlich ernsten Gesicht sagte sie:
„Der Tempel spricht oft zu mir.“
Brainstorm wusste, dass sie die Wahrheit sprach. Und er wusste, dass Colis Geliebter und Vater des Kindes ihr keine Zeichen mehr senden konnte. Besser gesagt wollte. Er war nicht etwa tot. Er hatte vergessen. Er hatte Coli vergessen. Das letzte was der Tempel ihr zeigte war, wie er lachend in den Armen einer anderen Frau saß.
Brainstorm stupste dem kleinen Jungen auf das Näschen und küsste ihn auf die Stirn: „Pass gut auf deine Mami auf, sie wird dich brauchen. Nur du kannst sie zum Lachen bringen, Zwerg.“ Und damit schwang er sich auf sein Pferd. „Ich muss los. Vielen Dank, Coli.“
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Egol machte sich an die Arbeit. Vor ihm lag ein gewaltiger Speer mit roten Bändern. „Was um alles in der Welt hast du damit angestellt?“ rief er aus, denn von den Bändern war nicht viel mehr übrig als Fetzen. Als er die Klinge betastete, wusste er es. „Eine Yeowamutter?“ Entsetzt blickte Egol auf. „Ihr seid einer begegnet?“ Das Blut des Monsters hatte deutliche Spuren auf der Klinge hinterlassen. Es frass sich praktisch durch das Metall hindurch.
„Wie lange wirst du brauchen, Egol?“ fragte Brainstorm, ohne die Frage des Schmieds zu beantworten. Statt dessen zog er das seltsame Schwert ein Stück weit unter der Jacke hervor. Der Schmied riss die Augen auf. „ Komm in vier Stunden wieder.“ Er starrte immer noch auf das Schwert. „ Und bring dieses Schmuckstück mit!“ Damit riss er sich von dem Anblick los und schloss hinter Brainstorm die Ladentür. Er hatte zu tun und durfte nicht gestört werden.
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Das Wesen, welches vor ihr stand, riß die gewaltigen rotglühenden Augen auf und stieß einen gellenden Schrei aus. In seinen Pranken funkelte eine große blutige Axt, die auf der einen Seite eine messerscharfe Klinge hatte und auf der anderen eine mächtige Spitze aus hartem Metall. Doch nochmehr Aufmerksamkeit zogen die übergroßen Hörner über seinen Augen auf sich. Gehalten durch einen goldenen Helm stießen sie wie tödliche Kronenzacken in die Höhe. Unter dem ebenso goldenem Harnisch konnte sie eine rotglühende scheinbar blutende Masse erkennen, aus der furchtbare Schmerzenschreie kreischten.
„Gib sie mir! Gib sie mir sofort!“ Es war eine schreckliche Stimme. Unendlich tief und unbarmherzig kalt klang sie.
„Nein! Sie wird dir nie gehören! Nein!“ Janie presste ein kleines Bündel an sich und sah bebend vor Angst zu dem Monster auf. Die gewaltige Pranke mit der noch gewaltigeren Axt schwang in die Höhe und ein letzter heiserer Schrei flüchtete aus Janies Kehle.
...Sie fuhr schweißgebadet hoch. Es dauerte eine kleine Weile, ehe sie erkannte dass sie in Sicherheit war. Sie befand sich in einem frischbezogenem Bett, neben dem ein kleines hölzernes Tischchen stand. Ihr Blick wanderte zu dem Stuhl, der vor dem Bett aufgestellt war und auf dem jemand saß. Es war niemand anderes als Jaques, die Gildenälteste.
„Du wirst gesucht, Kindchen.“ sagte Jaques und reichte Janie ein Glas Wasser vom Nachttisch. „Und es sind weder Jäger noch Wachen, die dich suchen.“
Janie nahm mit einem dankbaren Blick das Glas und trank vorsichtig von dem wohltuenden Wasser. Sie wusste, dass es eine besondere Bedeutung hatte, wenn Jaques so wenig sprach. Sie wusste auch um die Bedeutung von Jaques Anwesenheit an ihrem Krankenbett. Nur selten kam Jaques aus ihrem Zelt am Rande des Lagers, aber wenn sie es tat, dann hatte sie Wichtiges mitzuteilen. Oftmals warnte sie vor lauernden Diebesbanden und konnte genau die Orte mitteilen, an denen sich diese aufhielten. So war es möglich, dass Fossile für einzelne Händler eine der sichersten Karawanen zur Verfügung stellen konnte, die weit und breit zu finden waren.
Doch diesmal hatte Jaques ein anderes Anliegen.
„Er ist allein unterwegs, ich denke, du könntest mit ihm fertig werden.“ Das sagte sie mit einem seltsamen, fast schelmisch wirkenden Funkeln in den Augen. Janie blickte sie fragend über den Glasrand an, aber Jaques schwieg wieder.
„Seit wann bin ich hier?“ fragte Janie.
Und wie zum Teufel komme ich überhaupt hierher? dachte sie für sich.
“Klingentanz hat es als erstes bemerkt. Er war draußen auf Jagd und schickte seinen Wolf zu uns. Wir haben dich vor drei Tagen aus Donwhang geholt. Jemand hat dich zum alten Tempel gebracht.“ beantwortete die alte Jaques auch die ungestellte Frage. „Du kannst dich erinnern?“ fragte sie noch.
„Erinnern? An was? “erwiderte Janie. Wieder zeigte sich in Jagqes Gesicht ein leises Lächeln. „Daran, dass du den Angriff einer Yeowamutter überlebt hast, Kindchen. Das gelingt nicht jedem.“ Jaques stand auf und ging zum Tisch, der unterm Fenster stand. Sie kam zurück und hielt einen kleinen Gegenstand in der Hand, der aussah wie ein Stück abgeschlagener Stein.
„Das hier“ sagte sie und hielt Janie dieses Stückchen Etwas unter die Nase, „haben wir aus deiner Schulter geholt.“
„Was ist das?“
„ Kindchen! Das ist der Rest einer Kralle! Einer Ye....“ Die Tür wurde aufgestoßen. Klingentanz füllte den Raum mit seiner ganzen Größe. Er stürmte auf das Bett zu und hielt erst kurz davor inne. „Du bist wach! Endlich!“
„Ja sie ist wach, aber wenn du weiter so einen Lärm hier veranstaltest, überlegt sie es sich vielleicht nocheinmal und schläft lieber wieder ein!“ wies Jaques ihn zurecht.
Janie lachte:“ Ja, und ich hab gehört, dass du es warst, der den Tempel zuerst gehört hat. Lass ihn sich freuen, Jaques, ich freue mich genauso. Setz dich doch Klingentanz und erzähl mir, wie es war.“
Klingentanz zog sich ein Kissen unterm Bett hervor und setzte sich. „Es war genauso, wie du beschrieben hast. Jaques sagte, dass ich etwas sehen werde. Und dann ist es passiert.“
„Siehst du, du hast mir nie geglaubt, dass es möglich ist. Auch mir sagte sie, dass etwas passieren wird. Und zwar kurz bevor wir dich gefunden haben. Du warst damals übel zugerichtet, die Löwen hatten dir ganz schön zugesetzt.“
Klingentanz war noch nicht lange bei ihnen. Sie fanden ihn kurz vor den Toren der Stadt Jangan. Tagelang waren sie umhergeirrt, auf der Suche nach etwas, was sie nicht greifen konnten. Immer wieder zeigten sich Jaques und Janie Bilder eines verletzten Jungen. Ihr Gespür führte sie in eine verlassene Gegend, in der es von steinernen aber lebendigen und ziemlich bisswütigen Löwen nur so wimmelte. Dort fanden sie endlich den jungen Klingentanz, und wie sich herausstellte, war er ein recht willenstarker junger Mann, der keiner Gruppe angehörte. Allein der Wunsch nach Hilfe gestattete ihm, den Tempel zu benutzen. So ein Wunsch musste schon sehr groß sein, damit der Tempel reagierte. Und es funktionierte. Klingentanz wurde aufgespürt und befand sich seitdem in Obhut der Gilde Fossile.
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Fortsetzung folgt.... (vielleicht)