In letzter Zeit gab es immer wieder Gerüchte und Beschuldigen über rechte Tendenzen in der Gothic Szene. Es wurde auch behauptet das unter dem Deckmäntelchen der Toleranz auch rechtsextreme / faschistische Gruppierungen Unterschlupf gewährt würde.
Dies ist der Grund für diesen Text.
Doch wie sieht der rechte Rand der Szene aus?
Die von vielen Gothics geliebte Beschäftigung mit Mystik, Okkultismus und Kritik an kirchlichen Institutionen, bietet leider auch ein Einfallstor für rassistische / faschistische Ideen.
Begonnen hat es wohl mit der Neo-Folk Band „Death in June“.
Der Name „Death in June“ steht für den Todesmonat des SA Führers Ernst Röhm.
Douglas Pierce, das mittlerweile einzige Mitglied von „Death in June“ äußerte dazu:
„Auf der Suche nach einer zukünftigen politischen Perspektive stolperten wir über den nationalistischen Bolschewismus, der sich wie ein Leitfaden durch die Hierarchie der SA zog. Leute wie Gregor Strasser und Ernst Röhm (...) fielen uns auf. (....) Man kann sich fragen, ob Röhm im Falle eines Sieges über Hitler den 2. Weltkrieg verhindert hätte.“
Die Theorie dass Röhm theoretisch den 2.Weltkrieg verhindert hätte entbehrt allerdings jeglicher Grundlage.
Man kann sie wohl mit der Hess Verehrung der Neonazi Szene vergleichen.
Möglicherweise sieht der schwule Uniformfetischist Pearce in der SA (der nachgesagt wird sie hätte viele homosexuelle Mitglieder gehabt, und deren Führer Ernst Röhm selbst homosexuell war) auch seine sexuellen Phantasien verwirklicht.
Pearce betont zwar, das er früher in einer marxistischen Punkband gespielt habe und schon deshalb kein Faschist sein könne. Allerdings gibt es viele Tatsachen die diese Aussage äusserst zweifelhaft erscheinen lassen.
Natürlich ist Death in June keine primitive Naziband, die offen mit rassistischen Parolen agiert.
So finden sich in einigen Liedern Samples aus der Nazi Zeit, und es gibt auch eine Death in June Version des „Horst Wessel Lied“.
Pearce selbst behauptet dies sei eine bewusste Provokation. Wen oder was er damit provozieren will bleibt allerdings im Dunkeln.
Pearce weigerte sich sowohl beim Dark X-mas Festival (1992, Hamburg) als auch beim „Festival of Darkness“ (1994) eine sich vom Faschismus distanzierende Petition zu unterzeichnen.
Außerdem zeigte er Verständnis für die Progrome in Rostock-Lichtenhagen.
Zitat:
„Hast du jemals Tür an Tür mit Zigeunern gelebt? Ich kann denn Groll, der in Ostdeutschland zum Vorschein kommt, verstehen ...“
Seit 1993 erscheint in Dresden erstmals das Magazin „Sigill. Magazin für die konservative Kulturavantgarde Europas“, dass auch in vielen Gothic-Plattenläden verkauft wird.
In diesem Magazin sind neben Plattenkritiken von Neofolk und Industrial CDs, auch Beitrage mit dem Schwerpunkt Neue Rechte zu finden.
Eine neue Dimension bekam das Thema allerdings, als die „Junge Freiheit“, das Zentralorgan der Neuen Rechten im damals größten Szenemagazin „Zillo“ Anzeigen schaltete.
Durch Proteste des „Strange Ways“ Label wurde zudem bekannt, das ein Redakteur der „Jungen Freiheit“ auch Artikel im Zillo veröffentlicht hatte. Erst nach Protesten von Lesern und der Drohung einiger Labels keine Werbung mehr zu schalten, entschlossen sich die Verantwortlichen beim Zillo keine Anzeigen dieser Art mehr zu drucken.
All das kann man nur als geplante Aktionen der Neuen Rechten ansehen, in der Gothic Szene Fuß zu fassen.
Erklärbar wird dieser Versuch, wenn man weiss dass die Neue Rechte zuvor schon mit der Vereinnahmung der Techno- und Rave Szene gescheitert war.
So erschien 1996 anlässlich der Verleihung des „Zillo Preises“ an Tilo Wolff (Lacrimosa) folgender Artikel in der „Jungen Freiheit“:
„Deutschland ist das Zentrum einer Musikkultur geworden, die ihre Wurzeln im antimodernistischen Gestus der ´Gothic-´ (gemeinhin auch Gruft-) Szene besitzt. (...) Dieses Gemisch birgt eine Sprengkraft, vor der sich alteingesessene Sittenwächter des Musik- Mainstreams in Acht nehmen müssen. Wenn das Mystische und Irrationale, der Wunsch nach anti- aufklärerischer Innenschau und gelebter Transzendenz ihre Stimme in der Jugendkultur finden, ist der ästhetische Konsens des Westens durchbrochen. Wenn die Bezugspunkte Mittelalter und deutsche Geisteskultur darstellen statt ´Love and Peace´, wenn die Seele gegen den Intellekt ins Feld geführt wir - dann schneidet sich ein Keil in das Establishment oberflächlicher Beliebigkeit."
Diese äußerst oberflächliche Betrachtung der Gothic Szene zeigt den Ansatzpunkt der Neuen Rechten: Mystik und Irrationalismus. Lächerlich, aber in der NS- Tradition, ist natürlich die Darstellung "deutscher Geisteskultur" als "Kampfes der Seele gegen den Intellekt" zu verstehen.
Obwohl dieser Kampf von der „Jungen Freiheit“ offen geführt wird, gilt es in der Szene immer noch als umstritten ob es Unterwanderungstendenzen gibt.
Auch ein offener Brief einer ehemaligen Chefredakteurin der „Jungen Freiheit“ an den (inzwischen verstorbenen) Chefredakteur von „Zillo“ änderte daran nichts :
"Derlei ist bewährte Taktik der jungen Freiheit: Potentielle Bündnispartner werden dezidiert umarmt (in Wirklichkeit ist es eine Umklammerung), um sie gesellschaftlich und kulturell zu isolieren. Kritiker werden generell als ´Lügner´, ´PC- Kommissare´, ´Meinungswächter´ (O- Ton junge Freiheit) abgetan, bis ihr selbst glaubt, die Junge Freiheit ist die einzige, die es gut mit Euch meint. Mit jedem gut gemeinten Leserbrief, der Toleranz und Meinungsfreiheit einklagt, begebt Ihr Euch, obwohl Ihr es ehrlich meint, immer tiefer in das Fahrwasser der Jungen Freiheit. Der Jungen Freiheit geht es nicht um diese Werte - sie hat ganz andere politische und kulturelle Ziele. Eines davon ist die ´Erringung der kulturellen Hegemonie´. Was man sich darunter vorzustellen hat, beschreibt Roland Bubik unumwunden in seinen Programmschriften: man müsse unpolitische Szenen unter dem Deckmantel der Kultur unterwandern, ohne sich als Rechter zu erkennen zu geben, um Schlüsselpositionen in der Ku(l)turlandschaft zu erringen. Erst dann ist Zeit, sich an die Umsetzung der politischen Ziele zu machen. Anstatt Euch auf Scheingefechte über Meinungsfreiheit und Toleranz einzulassen, solltet ihr Euch klar machen, was eine reaktionäre Kulturpolitik für zum Beispiel eine Subkultur, wie es die Wave- Szene ist, bedeuten würde. (...) Für die Junge Freiheit seid Ihr nichts anderes als nützliche Spinner auf dem Weg zur Macht. Als ich dies begriffen hatte, habe ich meine Mitarbeit bei der Jungen Freiheit eingestellt. Nun sehe ich, daß sich meine persönliche Geschichte in größeren Dimensionen zu wiederholen droht. Ich kenne noch die kleinen Anfangstage des Zillo, stamme selbst aus der Wave- Szene - Stichwort Death In June, So(l) Invictus, NON. Dadurch wurde ich auf Autoren wie Evola, D`Annunzio, Ernst Jünger aufmerksam. Obwohl ich mich diesen Bands und Schriftstellern ursprünglich kritisch näherte, wurde ich nach und nach durch die unleugbare Faszination, die von dieser Welt ausgeht, ästhetisch so gleichgeschaltet, dass mir der Schritt zur Jungen Freiheit irgendwann als ganz natürliche Konsequenz erschien. Mein ´Einstiegshelfer´ war übrigens Roland Bubik. In dem etwas über einem Jahr (1994- 1995), das ich für die Junge Freiheit schrieb, war ich seine engste Mitarbeiterin. Schon damals hatte Roland Bubik große Pläne für die Wave- Szene, die durch ihre romantische und ästhetizistische Haltung besonders leicht zu beeinflussen wäre (ob sie das ist, wird sich nun herausstellen)."
Auf jeden Fall ist auffällig, wie häufig die „Junge Freiheit“ in den letzten Jahren Gothic Bands, die sie als politisch nahe stehend empfinden, positiv rezensieren.
Ebenfalls 1996 greift erstmals ein rechtsextremer Verlag in die Produktion von Gothic Musik ein. Unter dem Namen „Heliocentric Distribution“ wird ein Label des Bingener Verlages „Verlag & Agentur Werner Symanek“ (VAWS) gegründet.
Dort erschien eine CD zu Ehren der Regisseurin Leni Riefenstahl, die durch ihre Filme über die NSDAP Parteitage (Sieg des Glaubens (1933), Triumph des Willens (1934)) sowie über die Olympischen Spiele 1936 in Berlin (Fest der Völker, Fest der Schönheit) im Dritten Reich Berühmtheit erlangte.
VAWS verlegt ausser CDs auch rechtsextreme Bücher und kriegsverherrlichende Literatur.
Auf dem Riefenstahl Sampler sind unter anderem die Bands Forthcoming Fire, Strenght through joy, Death in June, Allerseelen, Swirling Swastikas, Turbund Sturmwerk, Voxus Imp, Von Thronstahl, Northwende, Rückgrat vertreten.
1998 erschien die Nachfolge CD, dieses Mal zu Ehren des Nazi Bildhauers Josef Thorak.
Auf ihr wahren neben schon auf dem ersten Sampler vertretenen Bands auch die Gruppe Stalingrad (Produziert von Angeo Bergamini von Kirlian Camera) vertreten.
Zusammengestellt hat die Sampler „Jay Kay“ (Josef Klumb), der Frontmann von Forthcoming Fire. Er ist Mitarbeiter von VAWS und scheinbar befreundet mit dem Ufo Esoteriker und Antisemiten Jan van Helsing, dessen Buch „Geheimgesellschaften und ihre Macht im 20. Jahrhundert“ wegen Volksverhetzung verboten wurde.
Wegen einiger wirrer Stellungnahmen in Interviews:
„Es ist die Hochfinanz, es sind die Kräfte, welche hinter ihren Marionetten die Welt bewegen (...) Das Gesicht dieses kommenden Regimes drückt sich aus durch die UNO, NATO, Weltbank, Zionismus...“
verweigerte Forthcoming Fire’s ehemaliges Label „Hyperium“ die Vertragsverlängerung.
Für seine geistige Haltung spricht auch folgendes Zitat:
"Man muss ein für alle mal erkennen, dass, wenn ich für Deutschland rede, ich nicht für circa 50 Millionen geistige Totgeburten spreche, (...), sondern dass die ´Volksseele´, die bis ins Heute so brutal vergewaltigt wurde, dass ich für dieses Heiligtum (...) den Kern und das Zentrum des Begriffes Deutschland eben verteidigen werde...(...)"
Alles in allem muss man jedoch sagen, dass die Mehrheit der Szene eher so denkt wie Ashley, Sänger der Band „Whispers in the Shadow“:
"Wenn man einfach akzeptiert, was man vorgekaut bekommt, kann dies üble Folgen haben, und plötzlich haben wir ein ´viertes Deutsches Reich´ und jeder ist plötzlich überrascht und tut so, als ob nichts wäre. Nach außen hin vertreten wir allerdings keine politische Richtung. Aber ich glaube kaum, dass uns irgendwer als ´rechts´ einstufen würde. Es ist wichtig, dass die schwarze Szene nicht ins rechte Lager abrutscht, wie das in letzter Zeit so der Fall ist. Dagegen werden wir uns auf jeden Fall wehren und ich hoffe, wir stehen da nicht alleine da."
Mittlerweile ist man sich in der Szene des Problems bewusster als zuvor. Es gibt auch erste Bestrebungen, wie beispielsweise die Initiative „Grufties gegen Rechts“, sich dem Problem aktiv anzunehmen.